Trichom – was ist das? Wolfgang Blum Einleitung In letzter Zeit taucht bei Arbeiten über Kakteen immer wieder der Begriff „Trichom“ auf. Was er bedeutet und welche Problematik bei der Erforschung der Trichome auftritt, wird hier erläutert. Im Jahre 1883 wurden von CASPARI erste Untersuchungen der Feinstruktur der Dornen vorgenommen. In dieser Arbeit, die sorgfältig durchgeführt wurde aber unvollkommen war, bezeichnet er diese Dornenepidermis-Strukturen als Trichome. Seiner Ansicht nach ist die Beschaffenheit der Trichom-Gebilde fast ganz wertlos für die Systematik, dürfte aber für die Bestimmung der Arten einigen Wert haben. Er hatte große Probleme die untersuchten Arten richtig einzugliedern, da er für die Untersuchungen das damals bekannte System von Salm-Dyck benutzte. In diesem System tauchte die glatt bedornte Peireskia aculeata neben der glochidoiden P. subulata auf. Die Zweitgenannte ist ein Vertreter der Opuntioideae (Austrocylindropuntia subulata). CASPARI löste mit verdünnter Salpeteroder Essigsäure, in denen die Dornen gekocht wurden, die Epidermis ab. Danach konnten die Dornen besser untersucht werden. Definitionen (teilweise nachbearbeitet durch den Autor) Trichom: Epidermale Anhangsgebilde verschiedener Form, Struktur und Funktion werden als Trichome bezeichnet. Sie treten als Schutz-, Stütz- und Drüsenhaare in Form von Schuppen, verschiedenen Papillen und bei Wurzeln als absorbierende Haare auf. Die Trichome sind von den Emergenzen (z.B. den Stacheln) und den Kurztrieben (z.B. den Dornen) zu unterscheiden, weil diese nicht nur Zellen der Epidermis, sondern auch Zellen anderer Gewebe mit enthalten. Sie gehen in der Regel aus einer einzigen Zelle, der Initialzelle, hervor. (http://www.biologie.unihamburg.de/b-online/d05/05a.htm) Einzellige Pflanzenhaare sind: – Papillen, die den Samtglanz vieler Laub und Blütenblätter bei verschiedenen Pflanzen (Stiefmütterchen, Lupine) bewirken, – Wurzelhaare sowie andere Schlauchhaare, z. B. Gossypium (Baumwollpflanze), – Borstenhaare, z.B. bei den Borago officinalis (Borretsch), – Brennhaare, z.B. bei der Urtica (Brennnessel). Verzweigte einzellige Pflanzenhaare sind: – z.B. die Haare auf dem Blatt des Hirtentäschelkrauts (Capsella). Mehrzellige Pflanzenhaare: – bestehen entweder aus Zellreihen oder aus gestielten bzw. ungestielten Zellflächen. Meist sind die Pflanzen dicht von diesen Haaren überzogen; z.B. – die verzweigten Wollhaare der Königskerze (Verbascum) und – die Schuppenhaare des Sanddorns (Hippophae rhamnoides). Zu den Absorptionshaaren gehören: – Schuppenhaare der Blattoberseite tropischer Epiphyten. -Wurzelhaare, sie dienen der Aufnahme von Wasser und darin gelöster Substanzen. – Drüsenhaare, sie scheiden Stoffe aus, schützen gegen Tierfraß und dienen bei karnivoren Pflanzen dem Tierfang. – Sinnes- und Fühlhaare erleichtern bei berührungsempfindlichen Pflanzen die Wahrnehmung des Reizes. – Kletterhaare (z.B. beim Hopfen) vermehren den Reibungswiderstand zwischen dem Kletterspross und seiner Stütze. – Flughaare, sie verringern die Fallgeschwindigkeit von Samen und Früchten. (Entnommen aus: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/pflanzenhaare/8881) Die Trichome tauchen sowohl an der Epidermis als auch an den Dornen selbst auf. Nach Schill et al. 1973, welche umfangreiche Forschung unter dem Rasterelektronenmikroskop betrieben haben, können Kakteendornen in sechs unterscheidbare Formen der Dornenepidermis (DE, hier wird die Dornenoberfläche auch als Epidermis bezeichnet) unterteilt werden. Diese Dornenstrukturen sind: – prosenchymatische DE (z.B. Peireskia) – glattröhrige DE – apikal gehöckerte DE a) Höcker wenig hervortretend: tuberkulat b) Höcker deutlich hervortretend: pinnat (Mamillaria plumosa) – bruchröhrige DE a) unregelmäßig durchbrochene DE b) regelmäßig durchbrochene DE c) teilgebrochene DE – polygonale aufgelöste DE – basal ausgezogene DE = glochidoide DE (z. B. Opuntioideae). Glochiden, wie wir sie von den Opuntioideae kennen, sind wohl die spektakulärste Form des Trichoms bei Kakteen. Bei unseren Echinocereen kommen, soweit bis jetzt bekannt ist, zwei unterschiedliche Dornenepidermis-Strukturen vor. Wir unterscheiden: – glattröhrige Dornenepidermis, eine relativ glatte Oberfläche mit mehr oder weniger Furchen (Abb. 2), – apikale, genauer gesagt tuberkulate Dornenepidermis mit rauer Oberfläche, die mehr oder weniger von Trichomen überzogen ist (Abb. 3 und 4). Diskussion Bei unseren Echinocereen können die Dornen am Körper und an der Blüte bezüglich der Trichome unterschiedlich ausfallen! Wir müssen also Körper- und Blütendornen untersuchen. Die Dornen am Fruchtknoten, der Blütenröhre und natürlich auch an der Frucht sind identisch. So kann es sein, dass an einer Pflanze Körperdornen ohne Trichom, aber Blütendornen mit Trichom zu finden sind oder umgekehrt. Es können aber auch beide jeweils mit oder jeweils ohne Trichom sein. Hierzu sind dringend weitere Ergebnisse zu sammeln. Im Augenblick wird dieses Merkmal in wissenschaftlichen Arbeiten amerikanischer Botaniker als Artmerkmal anerkannt. So wurde Echinocereus mojavensis (Engelmann & Bigelow) Rümpler von M. A. Baker aufgrund dieses Merkmales von E. triglochidiatus unterschieden und wieder als eigenständige Art eingestuft! In der „Intermountain Flora“ (BAKER in HOLMGREEN et al. 2012: 660) ist im Schlüssel zu den drei dort besprochenen Echinocereus- Arten zu lesen: “Spines mostly papillose-setulose under30 x magnification; plants synoecious; flowers 4.9 - 8.8 cm long, not dimorphic.“ Sinngemäße deutsche Übersetzung: Dornenoberfläche unter 30-facher Vergrößerung meist locker warzig -/feinborstig; synözische Pflanzen, Blüten 4,9–8,8 cm lang, nicht zweigestaltig. Weiterhin ist am Ende dieser Artenbeschreibung (S. 665) Folgendes erwähnt: “Populations of a related species, Echinocereus triglochidiatus Engelmann, occur just outside the southeast corner of our area in New Mexico and Arizona. Individuals are distinguished from those of E. mojavensis by having fewer (2–8) sharply angular spines that are not papillose-setulose.” Sinngemäße deutsche Übersetzung: Populationen einer verwandten Art, E. triglochidiatus Engelmann, kommen außerhalb der südöstlichen Ecke unseres Bearbeitungsgebietes in New Mexico und Arizona vor. Die Individuen können von denen des E. mojavensis unterschieden werden, weil sie weniger (2–8) und scharf kantige Dornen haben, welche nicht locker warzig-feinborstig sind. Forschung In Deutschland wurden durch Felix, Lange, Oldach, Rischer und dem Autor selbst viele Echinocereus-Dornen unter dem Mikroskop untersucht. Leider bringt das Fotografieren über das normale Mikroskop nicht die Qualität, um diese Bilder zu veröffentlichen. Nur mit REM-Aufnahmen wird dies erreicht. In den letzten Jahren wurden, nachdem unter dem Mikroskop Unterschiede entdeckt wurden, anschließende REM-Aufnahmen in Auftrag gegeben. Einige wurden in bisherigen Sonderausgaben der Arbeitsgruppe Echinocereus erwähnt oder publiziert. Fazit Im Augenblick wird von den Berufsbotanikern die unterschiedliche Ploidiestufe einerseits als klares Kriterium zur Unterscheidung einer Art, teilweise nur der Unterart benutzt oder auch als nicht wichtig angesehen! Unsere Erkenntnisse über Blühverhalten (Jahreszeit, Uhrzeit, Öffnungswinkel oder Duft), Frucht- und Fruchtfleischfarben, Auswertung der Samen-Kutikula, Jugendform der Sämlinge oder Form der Wurzel werden gleichzeitig als unwichtig dargestellt, durch einen Fachmann vor Ort zur Überprüfung vorgeschlagen oder gar nicht berücksichtigt. Es wird zu klären sein, inwieweit uns die Dornenepidermis-Forschung weiterbringt und ob sie zur Abtrennung von Arten berechtigt oder innerhalb dieser sinnvoll verwendet werden kann. Am wichtigsten werden Erkenntnisse sein, ob wir dem Vorhandensein des Trichoms eine taxonomische Bedeutung beimessen oder nicht. Literatur CASPARI, H. (1883): Beiträge zur Kenntnis des Hauptgewebes der Cacteen. – Zeitschrift für Naturwissenschaften, Halle a. d. Saale (Diss.) 30 – 80. EGGLI, U. (1993): Glossary of Botanical Terms with Special Reference to Succulent Plants Paperback. – ISBN-10: 0902099221; ISBN-13: 978-0902099227 HOLMGREN, N. H. et al. (2012): Intermountain Flora: Vascular Plants of the Intermountain West, U.S.A. Subclass Magnoliidae–Caryophyllidae, Vol. 2A. [Echinocereus: M.A. Baker] 660 – 665 (ISBN 978-0-89327-520-4). SCHILL, R., BARTHLOTT, W. & EHLER, N. (1973): Mikromorphologie der Cacteen-Dornen. Tropische und Subtropische Pflanzenwelt 6. – Akademie der Wissenschaften und der Literatur http://de.wikipedia.org (1) http://florabase.dpaw.wa.gov.au/help/glossary# http://www.duden.de http://www.pflanzenforschung.de http://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/pflanzenhaare/8881 http://www.biologie.uni-hamburg.de